Warum wir nicht einsehen, dass ein Verkehrsproblem durch die Schaffung gravierender neuer Probleme als gelöst gelten soll
Im Streit um die Verlegung der Staatsstraße 2303 bei Rieneck führen die zuständigen Behörden immer wieder zwei Hauptpunkte an, um die in jeder Hinsicht nachteilige Talvariante zu rechtfertigen: den Naturschutz und die Kosten. Als drittes Argument wird bisweilen auch auf den Verkehrsnutzen verwiesen. Der Punkt Hochwasser wird dagegen als Gefahrenquelle heruntergespielt, die Gefährdung der Stadtentwicklung von Rieneck wird völlig außer Acht gelassen.
NaturschutzSeitdem der Sinngrund nördlich von Rieneck als FFH-Gebiet ausgewiesen wurde, benutzen die Behörden dies als Hauptargument gegen die Tunnellösung. Die vom Gesetzgeber durchaus vorgesehene Ausnahmemöglichkeit eines Straßenbaus durch FFH-Gebiet komme nicht in Frage, so das Argument, weil mit der Talvariante eine zumutbare Alternative vorliege. Dabei liegt auf der Hand, dass die Talvariante gar keine Ortsumgehung darstellt, weil mit ihr der Ort zerschnitten und das Problem des Durchgangsverkehrs nicht beseitigt würde. Wenn aber das eigentliche Planungsziel (die Ortsumgehung) mit einer alternativen Straßenführung nicht erreicht werden kann, ist diese Alternative nach derzeitiger Rechtssprechung (BVG vom 16.5.2002) nicht zumutbar. Ganz abgesehen davon, dass eine Talvariante allein schon wegen der dann drohenden Verschärfung der Hochwassersituation völlig unzumutbar wäre. Im übrigen lassen sich FFH-Bestimmungen auch gegen die Talvariante ins Feld führen: mit ihrer Verwirklichung würde die in unmittelbarer Nähe der Taltrasse (im Auenwäldchen am Herrenloch) angesiedelte Biberpopulation ausgerottet, d.h. es würde eine Tierart vernichtet, die „auf Grundlage der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU ... den besonderen Schutzvorschriften des Artenschutzrechtes“ unterliegt (Informationsblatt der Regierung von Unterfranken).
KostenNach Einschätzung des Straßenbauamts Würzburg (September 2005) kostet die Talvariante ca. 12 Mio, die Tunnellösung ca. 18 Mio Euro. Mit dieser Prognose setzen die Behörden ihre langjährige Strategie fort, die Kosten für die Tunnellösung möglichst hoch, die für die Talvariante aber möglichst niedrig anzusetzen. Von Fachleuten wurde längst nachgewiesen, dass der Rienecker Tunnel mit einer Länge von weniger als 400 m keinerlei besondere, die Kosten in die Höhe treibende Sicherheitsaustattung benötigen würde. Umgekehrt ist mehr als fraglich, ob z.B. die für die Talvariante geplante Flutmulde als einzige Vorbeugungsmaßnahme gegen Hochwasser ausreichen würde und hier nicht realistischerweise ganz andere Sicherheitsmaßnahmen nötig wären, die zu den Kosten für die Talvariante hinzukämen.
Dass Zweifel an den
behördlichen Kostenprognosen angebracht sind, belegt das folgende
Beispiel: in den 90er Jahren wurde in Bad Abbach für eine Tunneltrasse von
offizieller Stelle eine Summe von 42 Mio DM vorausgesagt. Tatsächlich
beliefen sich die Kosten dann 1995 aber nur auf 22 Mio DM! Übrigens ist
die Abbacher Umgehung mit 1725 m zwar ca. 500 m kürzer als die Rienecker
Tunneltrasse, dafür ist der Tunnel selbst, der die Hauptkosten
verursachte, dort aber fast doppelt so lang wie in Rieneck! VerkehrsnutzenDer von den Behörden angeführte größere verkehrliche Nutzen der Amtsvariante (drei Anbindungen bei der Talvariante gegenüber zwei bei der Tunnellösung) ist als Argument gegen die Tunnellösung untauglich. Straßenplaner veranschlagen den Ziel- und Quellverkehr bei einer so geringen Einwohnerzahl wie im Falle Rienecks (2100 Einwohner) mit 5 bis höchstens 10% des Verkehrsaufkommens. D.h. mindestens 90% des Aufkommens sind in diesem Fall Durchgangsverkehr, der also die entscheidende Bewertungsgröße ausmachen muss.
HochwasserObwohl nach den Hochwässern der letzten Jahre in Deutschland allenthalben darauf gedrungen wird, jede Bebauung in Flussnähe zu vermeiden, wird im Falle Rieneck genau dies von der Obersten Baubehörde bzw. vom Straßenbauamt Würzburg geplant. Denn die Talvariante würde auf einem Damm in unmittelbarer Nähe der Sinn mitten durch deren Überschwemmungsgebiet führen und die derzeit noch problemlosen Hochwasserverhältnisse massiv verschlechtern. Wieweit eine Flutmulde den Retentionsraum tatsächlich erweitern könnte, ist völlig ungewiss. Allein in Südbayern verursachte das Pfingsthochwasser 1999 Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe, die größtenteils auf eine verfehlte Bau- und Planungspolitik zurückzuführen waren. Sind die Verantwortlichen wirklich unfähig, aus Fehlern zu lernen? Können oder wollen sie nicht sehen, dass von den 2,3 Milliarden Euro, die der Freistaat Bayern bis 2020 für den Hochwasserschutz bereitstellen will, kein Cent nach Rieneck gehen müsste, wenn man auf den Straßenneubau durch ein Überschwemmungsgebiet verzichtet und eine wirklich hochwassersichere Lösung wählt, die sich auf Dauer als die preiswertere Lösung erweisen muss? Vor dem Hintergrund des allgemeinen, für jeden verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern geltenden Grundsatzes der Kosten-Nutzen-Relation ist die von Amts wegen geplante Talvariante mitten durch ein bekanntes Hochwassergebiet eine unverantwortliche Fehlplanung!
StadtentwicklungKleine Orte müssen mit dem begrenzten Vorrat an Entwicklungschancen, der ihnen zur Verfügung steht, sorgsam umgehen. Im Falle Rienecks ist das eindeutig das Kapital eines intakten Naturraums und des damit möglichen sanften Tourismus, den es mit kreativem Engagement voranzubringen gilt. Erstes Gebot ist dabei, die vorhandenen natürlichen Ressourcen zu schützen, also etwa den einmaligen innerörtlichen Grünraum, wie ihn die Sinntalaue zwischen Kernstadt und Schellhof darstellt, als Naherholungsraum zu erhalten. Es ist geradezu aberwitzig, einen Ort dadurch voranbringen zu wollen, dass man den Durchgangsverkehr von der Hauptstraße in den Teil verlagert, der das Ortsbild entscheidend prägt und das Herzstück eines schon im Ort selbst möglichen sanften Tourismus bildet. Auch wir sind der Meinung, dass der Durchgangsverkehr aus dem Zentrum von Rieneck so bald wie möglich verschwinden muss. Unser Ort hat aber nur dann eine Zukunftschance, wenn das Problem nicht nur innerorts verlagert, sondern dauerhaft beseitigt wird, ohne dass neue, gravierende Nachteile entstehen.
Weil mit der Talvariante der Ort nicht umgangen,
sondern zerschnitten würde, |